William Kidd, oft Captain Kidd genannt, ist einer der bekanntesten Piraten in der Geschichte. Doch sein Leben und seine Taten sind von Geheimnissen und Missverständnissen umgeben. War er wirklich ein blutrünstiger Pirat, oder ein Mann, der in eine missliche Lage geriet und von der Politik seiner Zeit verraten wurde? Diese Frage bleibt auch heute noch offen.
Die Anfänge des William Kidd
William Kidd wurde etwa 1645 in Schottland geboren. Seine Kindheit und frühen Jahre sind wenig dokumentiert, aber es ist bekannt, dass er im späten 17. Jahrhundert in die Seefahrt einstieg. Er machte sich schnell einen Namen als erfahrener Seemann und wurde von der englischen Krone für die Bekämpfung von Piraten angeworben. Kidd war zunächst also kein Pirat, sondern ein sogenannter Freibeuter – jemand, der mit einer offiziellen Lizenz operierte, um im Auftrag der Regierung feindliche Schiffe zu kapern.
1695 erhielt er von der englischen Regierung den Auftrag, Piraten im Indischen Ozean zu jagen. Ausgestattet mit einem Briefmark („Letter of Marque“), sollte er als Kapitän der „Adventure Galley“ Piraten verfolgen und die Schifffahrt sichern. Kidd sollte dabei die Interessen Englands schützen und potenziell auch von den Reichtümern profitieren, die bei der Bekämpfung von Piraten gefunden wurden. Doch der Übergang von einem Piratenjäger zum berüchtigten Piraten selbst kam schneller, als erwartet.
Der Wechsel zur Piraterie
Kidds Mission verlief von Anfang an problematisch. Sein Schiff und seine Mannschaft hatten mit Krankheiten zu kämpfen, und die Beute, die er machen konnte, war gering. Viele seiner Männer waren mit den schlechten Bedingungen und der ausbleibenden Beute unzufrieden und drohten mit Meuterei. Unter diesem wachsenden Druck entschied sich Kidd, eine riskante Aktion zu wagen.
Die Wende kam 1698, als Kidd das armenische Handelsschiff „Quedagh Merchant“ erbeutete. Das Schiff trug eine wertvolle Ladung und war in britischem Besitz. Kidds Handeln wurde von den Behörden jedoch nicht als legal betrachtet – ob absichtlich oder unabsichtlich, Kidd hatte einen schweren Fehler begangen. Plötzlich befand er sich auf der falschen Seite des Gesetzes.
Kidd versuchte, sich in New York zu verteidigen und auf seine Legitimation als Freibeuter zu pochen, doch die Stimmung gegen ihn hatte sich bereits gedreht. Viele Mächtige, die zuvor von seiner Mission profitiert hatten, wollten nun ihre eigenen Hände in Unschuld waschen und distanzierten sich von Kidd. Man kann sagen, dass Kidd als Sündenbock genutzt wurde, um politischen Druck von anderen abzuwenden.
Kidds Prozess und Tod
William Kidd wurde 1701 nach England gebracht, um sich vor Gericht zu verantworten. Der Prozess gegen ihn war alles andere als fair. Kidd wurde vorgeworfen, ein Pirat zu sein, und er hatte kaum Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen. Viele Dokumente, die ihn hätten entlasten können, wurden entweder nicht berücksichtigt oder waren schlichtweg verschwunden.
Er wurde schuldig gesprochen und am 23. Mai 1701 in London gehängt. Die erste Hinrichtung misslang, da das Seil riss, was zu einer gewissen Sensation in der Öffentlichkeit führte. Beim zweiten Versuch jedoch wurde das Urteil vollstreckt, und Kidds Körper wurde zur Abschreckung am Flussufer der Themse ausgestellt.
Mythos und Vermächtnis von William Kidd
Der Mythos um William Kidd lebt bis heute weiter, vor allem durch die Legende seines versteckten Schatzes. Viele Schatzsucher, unter anderem der berühmte Abenteurer Samuel Bellamy, suchten nach Kidds Schatz, der angeblich an verschiedenen Orten entlang der US-Ostküste vergraben sein soll. Der Gedanke an einen verborgenen Schatz trug wesentlich zu Kidds Ruhm bei und inspirierte zahlreiche Geschichten über Piraten.
Doch abseits des Mythos bleibt die Frage: War William Kidd wirklich ein Pirat, oder war er ein Mann, der von der Politik und den Umständen seiner Zeit ins Verderben getrieben wurde? Viele Historiker glauben, dass Kidd ein Opfer seiner Auftraggeber wurde, die nach politischem Opportunismus handelten und ihm den Rücken kehrten, als es für sie vorteilhaft war.
Pirat oder Sündenbock?
Die historische Bewertung von Kidd schwankt bis heute zwischen diesen beiden Extremen. Einige Berichte zeigen ihn als skrupellosen Piraten, der ohne Rücksicht auf Verluste plünderte und mordete. Andere Quellen schildern ihn als ehrbaren Mann, der durch widrige Umstände in die Rolle des Bösewichts gedrängt wurde. Fakt ist, dass Kidd versuchte, sein eigenes Leben und das seiner Männer zu sichern – in einer Zeit, die von Intrigen, Krieg und Gier geprägt war.
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Kidd war sicherlich kein unschuldiger Held, doch ebenso wenig ein gewaltverherrlichender Freibeuter, wie es oft dargestellt wird. Er war ein Mensch seiner Zeit, gefangen in einem Netz aus Loyalität, Ehre und Verrat.
Das Erbe von William Kidd
Heutzutage bleibt William Kidd ein faszinierendes Beispiel dafür, wie komplex die Grenze zwischen Heldentum und Verbrechen sein kann. Seine Geschichte bietet einen Einblick in das Leben und die Herausforderungen jener Zeit und stellt die Frage nach Moral und Recht in einer Zeit des Imperialismus und Kolonialismus. Die Suche nach Kidds Schatz geht bis heute weiter, und seine Legende wird wohl nie vollständig verblassen.
Wenn man über William Kidd spricht, ist es wichtig, beide Seiten zu betrachten – die des berüchtigten Piraten und die des Mannes, der durch politische Intrigen zu Fall gebracht wurde. Was auch immer die Wahrheit ist, Kidd bleibt ein Symbol für das Leben der Seefahrer im 17. Jahrhundert: ein Leben voller Abenteuer, Gefahren und ständigem Wandel.
Weiterführende Links:
- Bild: James Thornhill , Public domain, via Wikimedia Commons
- Mehr über Piraten und ihre Geschichte
- Der Mythos von versteckten Schätzen
- Geschichte der Freibeuter im 17. Jahrhundert